Charon - Ein Review von Mivey
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Grafik
Bewertung: 4/5
Sound
Bewertung: 3/5
Story
Bewertung: 2/5
Technik/Features
Bewertung: 4/5

Gesamteindruck
Bewertung: 2/5


In der deutschen RPG-Maker Community sind „klassische“ Rollenspiele, auf dieser Seite oft als Adventure bezeichnet, populär und machen die Masse der Spieleauswahl aus. Dies gilt vermutlich auch für die anderen Maker-Communities, schließlich wurde das Programm scheinbar genau für dieses Genre erfunden, ABER IST DEM WIRKLICH SO? Lesen sie jetzt eine spannende Exklusiv-Reportage voller Intrigen und Skandale über die schrecklichen Geheimnisse und wahren Hintergründe der Entwicklung des RPG-Makers, erzählt von einem Enterbrain Insider, dessen Namen wir …
Oh …wartet einen Augenblick, falsches Programm, ich hab etwas den Faden verloren … wo war ich nochmal? Ah ja genau: Das hier ist ein Review über ein solches, bewusst altmodisch gehaltenes Spiel, altmodisch zumindest in puncto Gameplay und Storytelling.

„Charon – Dawn of [a/the] Hero“ ist das Debütspiel von Wieland “sorata08” Möbus, zumindest das allererste Projekt, das er in einem multimediaxialen Forum vorgestellt hat. Es ist bewusst außerordentlich klassisch gehalten und nimmt ganz klare Inspiration von vielen alten SNES- oder PS1-Perlen, egal ob es jetzt um Plot, Charaktere oder Kampfsystem geht. Von dem her weiß aber auch jeder Spieler voran er oder sie ist, „Charon“ gibt sich nicht als etwas aus, das es ganz klar nicht ist.

Es ist hoffentlich jedem, der das hier liest klar, dass Charon eigentlich nicht mehr als ein großer Dungeon-Crawler ist. Die Handlung, das Setting, die Charaktere, alles was ich noch in größerem Detail ausführen werde, sind sekundär. Wenn das die Art Spiel ist, die man sucht, ist das okay, aber es heißt nicht, dass Charon sonst keine Schwächen hat und es nichts zu kritisieren und verbessern gäbe.

Auch soll zur Kenntnis genommen werden, dass kein Review und keine Analyse absolut objektiv sein kann. Dennoch versuche ich verständlich zu argumentieren und es Lesern so zu ermöglichen ein eigenes Bild zu formen, skeptisch zu sein. Mal abgesehen davon soll es auch etwas unterhaltsam sein.



Was wir in “Charon” schon sehr früh bemerken ist das Setting, d.h., in was für einer Welt die Geschichte eigentlich spielt. Zum einen ist sie in zwei gespalten: Eine Welt der Dämonen, Zartania, und eine Welt der Menschen, Zeal. „Welt der Menschen?“ Es leben dort auch Elfen und mindestens auch Zwerge, aber nein es wird im Spiel und auch in der Vorstellung im Forum nur von Menschen geredet. Soll uns dies etwa auf eine Arroganz der Menschen aufmerksam machen, die die anderen Völker schamlos unterdrücken und diskriminieren? Nein, das wäre schließlich interessant, und wehe dem Tag an dem ein interessantes Szenario in einem Rollenspiel verwendet wird!
Daneben sind auch Vampire, Untote und allerlei anderer Monster relativ häufig im Spiel zu finden, natürlich auch vergangene Kulturen mit Flugschiffen, die überall auf der Welt Tempel hinterlassen haben. Das Setting von Charon fühlt sie ungefähr so an, als hätte es nur von so gut wie jedem anderen RPG, das jemals existierte, kopiert.

Es folgt eine kurze Analyse der zwei Protagonisten, Sorata und Youko. Zwar treffen wir bis zum Ende des Spiels eine ganze Schar an treuen Kumpanen die sich bereitwillig für unsere vage definierten Überzeugungen in den Tod stürzen und für das GUTE kämpfen, aber diese beiden stehen ganz klar im Fokus der Erzählung.

Sorata
Okay bevor ich wirklich anfange, eine kurze Beschwerde: Warum benennen sich manche Entwickler bei uns im Forum nach ihren Charakteren (oder umgekehrt)? Immer wenn ich jetzt etwas gegen den Charakter sage, muss ich befürchten mir anhören zu müssen wie fies es ist, dass ich den armem sorata08 in den Dreck ziehe : (

Naja, also zum fiktiven Sorata: Er ist ein halb-Mensch, halb-Dämon Bastard und mit seinem Leben in der Unterwelt Zartania etwas unzufrieden und entscheidet sich eines Tages seine gesamte Identität zu leugnen und in Zael bei den Menschen leben zu wollen.
Jetzt würde man vielleicht als Spieler, der etwas Ahnung von guter Charakterisierung hat, erwarten, dass Sorata nach seinem langen Leben unter den Dämonen ein kleines bisschen abgehärtet ist. Wer von Wölfen aufgezogen wird, wird ja wohl selbst etwas wölfisch werden. Gibt es eine solche, oder so ähnliche, Darstellung in „Charon“? Ha!, natürlich nicht. Es wirkt ja glaubhafter, dass Sorata von Anfang an nicht nur komplett unschuldig und naiv, sondern im direkten Vergleich sogar noch verweichlichter als die meisten seiner menschlichen Gefährten wirkt. Als Beispiel: Sein Unbehagen vorm Töten von Menschen, das sonst kein einziger äußert. Es wirkt nebenbei auch albern. Zu dem Zeitpunkt, in dem er sich zum ersten Mal darüber beschwert, hat die Heldentruppe (und ja, da ist der Herr dabei) schon Dutzende umgenietet, egal ob Soldat, Söldner, Straßenräuber. Im Kampfbildschirm versteht sich.

Irgendwann in der zweiten Hälfte der Geschichte beginnt Sorata dann, endlich, mit seiner „dunklen“ Dämonen-Seite, von der wir vorher überhaupt nichts gehört haben, zu kämpfen. Wenn dies nicht viel zu spät auftauchen würde, könnte man es ja noch ernst nehmen. Wir erfahren aber nie, ob er während seiner Zeit in der Dämonenwelt je wirklich böse war. Im Gegenteil: Es gibt immer wieder Flashbacks, die ihn als moralisch gut zeigen. Wo bleibt also die Glaubwürdigkeit? Hat sie sich in einem der Dungeons verirrt? (Übel nehmen könnte ich ihr es nicht, allesamt Labyrinthe!)

Die Idee eines Mannes, der sich auf seinem Weg zum Heldentum um die dunklen Abgründe seiner Seele kümmern muss, wäre sicher genial, sogar mitreißend. Jedoch, Sorata ist davon einfach meilenweit entfernt und einfach plumb.
[I] (Der Fiktive, nicht der Echte, also echt wie in „in unserem Forum existent“, nicht im Sinne von „im echten Leben“, weil der wird ja kaum so heißen. Außer natürlich seine Eltern haben einen komischen Japano/Anime-Tick und haben ihn als zweiten Namen wirklich Sorata getauft. Heißt, das die schlecht erzählte Geschichte von Soratha im Spiel etwas autobiographisches hat? Hmm…) [/I]

Youko
Ja auch diesmal fange ich mit einer überhaupt und gar nicht kleinlichen Beschwerde an: Warum die Verwendung des wirklich hässlichen Hepburn-Systems? „ou“ schaut im sonst deutschen Spiel echt nicht schön aus. Hätte ein einfaches „Yoko“ nicht gereicht? Selbst wenn man dem langen Konsonanten schriftlich Respekt erweisen will, könnte man immer noch ein Makron verwenden und „Yōko“ schreiben.

Sorata trifft auf Yōko (Sieht schon viel besser aus) kurz nachdem er zum ersten Mal in die Menschenwelt Zeal eingedrungen ist. Sie lebt in einem Dorf in der Nähe gemeinsam mit der lokalen Seherin. Sobald dann Sorata aufbricht um die Welt zu retten folgt ihr Yōko, um auf der Reise mehr über ihre Vorfahren zu erfahren. Denn Yōko ist nicht einfach irgendeine Frau, nein! Sie ist die letzte Mohikaneri … äh … falscher Film, die letzte Katsura! Ihr wisst nicht wer die sind? Nun Pech aber auch, das wird im Spiel kaum vernünftig erklärt.
Das erklärt auch schon ihre gesamte Persönlichkeit: Selbstbezogene Neugier. Das, und die gelegentlich sexistischen Kommentare, wenn sich Sorata und je-Mann-d anderes aus der Truppe streiten, Frauen stehen schließlich total über zwischenmenschlichen Konfrontationen. Zumindest scheint sie das zu denken, so wie sie sich ständig über die „kindischen Männer“ aufregt. Von diesen zwei Dingen abgesehen, ist Yōko also ungefähr so profillos wie ein seit zehn Jahren durchgehend benutzter LKW-Reifen, oder eben eine Charaktere aus „Charon“, sucht euch was aus.

Neben alledem gibt es natürlich die praktisch archetypische Liebesbeziehung zwischen ihr und Sorata, nicht dass sie während des Spiels je großartig miteinander interagieren, abgesehen von drei, vier Entscheidungen wo Sorata etwas nett zu ihr sein kann. Schließlich muss sich „Charon“ hier an das Rollenspiel-Cliche #46 halten – „Und es steht geschrieben, dass weibliches Sidekick und männlicher Protagonist, egal wie sich zueinander verhalten, vor dem Abspann ein Liebespaar sein müssen.“

Der Plot, also das was im Spiel tatsächlich passiert, ist relativ einfach zusammengefasst. Eine Reihe von bösen Bösewichten tauchen plötzlich in Zael auf, die natürlich alle die Weltherrschaft an sich reißen wollen. Von bösen Vampir-Lords über Dämonen der Unterwelt bis hin zur etwas unüblichen Roboter-Invasion. Zumindest sind die Antagonisten abwechslungsreich, leider wird keiner von ihnen wirklich charakterisiert außer „ER IST PÖÖHSE!“.
Unsere Heldentruppe, angeführt vom Auserwählten, besiegen sie der Reihe nach und retten die Welt. Währenddessen werden sie beste Freunde und haben ein gigantisches Abenteuer, jadda jadda jadda, ihr kennt den Drill. Die Handlung greift alle möglichen Topoi auf. Kaum eine Entwicklung kann nicht kilometerweit vorhergesehen werden, außer man ist in einer geistigen Verfassung irgendwo zwischen extrem alkoholisiert und durch Psychopharmaka zugedröhnt. Das muss man vermutlich auch sein, um diese Geschichte wirklich zu genießen, außer natürlich man ist Masochist.

Zusammenfassend lässt sich über die Handlung also sagen, dass sie definitiv nicht im Vordergrund steht, es wird eher noch probiert das Emotionaler anzusprechen, wie aber zuvor erwähnt, aber kaum effektiv, die Charaktere sind dafür zu flach. Pathos findet man hier keinen
Trotz aller Kritik, der eigentliche Plot ist für viele sicher nur sekundär. Im Vordergrund steht ganz klar das Verkloppen, Verzaubern und Vernichten von so vielen Bestien wie irgend möglich und das leitet gleich zum nächsten Punkt über.



„Ha!“, lachen jetzt sicher alle Fans des Spiels trotzig auf, „die undurchdringlichen Sümpfe der Charakter-Verzerrung konnten seine Kritik nicht aufhalten, und auch das unendliche Labyrinth der Plot-Verwirrtheit hat er gerade noch so gemeistert , aber jetzt, in den Katakomben des Dungeon-Crawling wird er versagen, allein und fernab jeglicher funktionierenden Spielmechanik wird er jeglichen Kritiker-Willen verlieren, in Lethargie versinken und dann wird er unser sein! Muhahahaha!

Irgendwie klang das noch vernünftig als ich die Idee dafür im Kopf hatte, ich sollte das vermutlich editieren … wie auch immer, an und für sich ist „Charon“ ein relativ typisches Japano-RPG, auch und vor allem in Sachen Gameplay, aber alles nach der Reihe:


Über das Kampfsystem

Die Linearität beginnt schon in der Charakterentwicklung, wo jeder eine typische Rolle hat, Sorata ist der offensive Tank, Yōko hat eher eine unterstützende Rolle, und so weiter. Diese Konstellationen ändern sich im Spielverlauf überhaupt nicht, die Attacken werden einfach stärker und bessere Zauber kann man sich in einschlägigen Läden kaufen. Statt einem Feuer-Zauber Lv1 hat man dann einen Feuer-Zauber Level 4, da die Gegner sich dem anpassen, hebt sich das auch komplett auf.

Genau hier wollte sorara08 offensichtlich etwas ändern. Daher bekommen wir nach jedem Levelanstieg die Möglichkeit jedem Charakter eine Reihe von Punkten zu vergeben um Statuswerte zu ändern (Stärke der physischen Angriffe, der magischen Angriffe, Schnelligkeit, usw.) Dies soll also, dem Anschein nach, eine Feinjustierung der jeweiligen Chars ermöglichen, erweist sich aber im letzten Endes als ein Schuss in den Ofen. Alle Charaktere haben vorgegebene Rollen, nach denen man ihnen Punkte verteilen muss, falls man das nicht tut „ver“levelt man sich, sprich der Charakter wird im späteren Spielverlauf komplett nutzlos. (Und man ist gezwungen ihn extrem hoch zu trainieren, d.h., zu „grinden“ aber das werde ich noch genauer erläutern) Daher gibt diese Punkte-Verteilung dem Spieler nicht mehr Freiheit, sondern es erzeugt lediglich die Illusion von Freiheit.
Entweder war genau das die Absicht von sorata08, in welchem Fall es keine schwer zu durschaubare Täuschung ist. Ich halte es aber für um einiges wahrscheinlicher, dass er hat sich dabei einfach nichts gedacht. So viele Faktoren, wie exklusive Ausrüstung, Fähigkeiten und vorgegebene Grundwerte trimmen die Charaktere in klare Profile, dass dieses ganze System einfach ein großer eklatanter Design-Fehler ist. Das kann man auch nicht mit unterschiedlichem Spiel-Geschmack relativieren, ein sinnloses und potentiell Spielspaß zerstörendes System ist einfach Stuss. (Außer es soll das „grinding“ fördern, aber dann ist es auch nicht mehr als eine Falle)

Ein anderer Kritikpunkt ist der extreme Mangel an notwendiger, taktischer Denkarbeit. Es sei zwar lobend erwähnt, dass „Charon“ unterschiedliche elementar Angriffe erlaubt und die Gegner unterschiedliche Schwächen und Resistenzen auf diese Elemente haben, aber leider gibt es auch physische Angriffe, die frei von Elementar-Anteilen sind. Warum leider? Genau diese zweite Art von Angriffen erweist sich nämlich als stärker, was heißt, dass das ganze Element-System überhaupt nicht zum Tragen kommt. Gerade den magischen Angriffen wird so viel Bedeutung weggenommen, denn diese Taktik des „Einfach draufkloppen mit derselben Attacke“ funktioniert selbst bei Endgegern, die nach jedem Dungeon geduldig auf unsere Heldengruppe warten. (Eigentlich ein ziemlich mieser Job, Endgegner zu sein, die meiste Zeit wartest du in irgendwelchen schlecht-beleuchteten, feuchten Kerkern, siehst nie deine Familie und Freunde, darfst dich keine zwei Meter weit bewegen und kaum kommt die nächste Gruppe selbsternannter Helden vorbei, geht’s ab ins Spital, und wer zahlt dann die Arztrechnung? Gibt es in Zeal Gesundheitsvorsorge für Monster?)

Sonst gibt es zum Kampfsystem selbst nicht allzu viel zu sagen. Es kämpfen maximal vier Protagonisten gegen theoretisch unbegrenzt viele Gegner, das ganze präsentiert als ein „Sideview-KS“. Für die fremdsprachlich nicht ganz so Begabten: Wir sehen das Geschehen aus einer Seitenansicht, quasi als jemand der unbeteiligt zuschaut ohne wirklich dabei zu sein. So fühlt man sich übrigens auch, wenn man ständig mit derselben Party* und den gleichen Angriffen gegen immer ähnlicher wirkende Monster kämpft.

*(zwar kann man Helden austauschen, aber das ist nicht empfehlenswert, dazu gleich noch mehr)


Kleine Features:

Neben dem Kampfsystem gibt es auch noch einige kleinere spielmechanische Systeme die Erwähnung verdienen, nicht alle davon beeinflussen das Spiel gleich stark, es wurde aber merklich Arbeit reingesteckt diese technischen Spielereien zu ermöglichen.

Zuerst ein Quest-Log, das kurz und knapp festhält was wir für wen tun sollen. Innerhalb der Hauptstoryline relativ unnötig, außer für diejenigen (Wahnsinnigen) die alle Sammelquests komplettieren müssen. Viele der Nebenquests sind ja nichts anderes als „Bring Person A Objekt B“, aber das ist ja ein generelles Problem von Rollenspielen.

Das „Buch des Zheons“ erlaubt es uns, die Party, falls sie die Zahl von vier überschreitet, untereinander auszutauschen.
Zheon selbst ist, ohne etwas zu spoilern, eine allmächtige Entität. Aber warum würde er so ein Buch erschaffen? Das wird leider nicht erklärt, so überlässt es „Charon“ der Interpretation des Spielers Antworten zu finden.
Soweit ich es mir zusammenreimen konnte, hatte eine gewisse Person (Name d. Redaktion bekannt) einige sehr spezielle wirtschaftliche Interessen. So fragte er sich also: „Wie schaffe ich es diese entgegenkommenden Frauen kurzzeitig vor zu langer Sonneneinstrahlung zu schützen? Damit ihre neuen Besitzer, also, Mieter, ich meine Vermieter sie sicher bekommen, ohne von neugierigen Behörden belästigt zu werden?“ Nach einem Gespräch mit einem Medium und dem üblichen Seelenverkauf an Zheon bekam er dann sein „Buch“. Warum er immer reicher wurde und in den umliegenden Dörfern mehr und mehr junge Mädchen spurlos verschwanden konnte sich keiner erklären.

Zum Feature selbst: Auf den ersten Blick sehr kontraproduktiv, meiner Erfahrung nach ist es viel effektiver von Anfang an vier Leuts auszuwählen und diese durchzutrainieren anstatt immer zu wechseln, denn EXP bekommen nur die, die aktiv am Kampf beteiligt sind. Eigentlich das Pokémon-Dilemma: Bist du intelligent und trainierst 6 starke Pokémon oder komplett bescheuert und levelst alle 120 in der Box auf Level 21? Extrem schwere Entscheidungen, auch das ein Aspekt von „Charon“.
Auf den zweiten Blick fällt mir aber ein, dass dieses Spiel Wert legt auf Grinding. Wenn man seine Party ständig auf demselben Niveau halten will, muss man das durch mehr und mehr Kämpfe kompensieren. Also „grindet“ man => mission accomplished.

Dann noch der „Skill-Shop“, wo man Fertigkeiten, die man sonst nur durch mühsames Training und jahrelange Anstrengung erwerben kann, wie Gemüse vom Tante-Emma Laden kauft.
Natürlich würde man meinen, dass so eine Erfindung die gesellschaftlichen Strukturen in Zeal komplett über den Haufen werfen würde. Warum einen Handwerker bestellen, wenn man sich für den halben Preis den Handwerk-Skill kaufen kann? Die Konsequenzen sind schier grenzenlos, scheinbar. Aber die Menschen in „Charon“ zeigen davon praktischerweise keine Spur, erwähnen die Skill-Shops auch kaum. Konservatismus in seiner extremsten Form.

Praktischer Nutzen: Gering. In erster Linie kann man nur Zauber und elementare Angriffe kaufen, wie aber bereits erklärt, sind die stärksten Angriffe oft non elementar, und selbst wenn sie nicht immer die Stärksten sind, sondern auf einem knappen zweiten Platz rangieren, da man sich keine Sorgen um die Schwächen und Stärken der Gegner machen muss, erlauben sie es dieselbe Taktik für jeden Kampf zu benutzen. Selbst wenn man total auf den Dungeon-kriechenden, und Kämpfe-schleifenden Aspekt abfährt, warum mit Elementen herumschlagen, wenn es einen einfacheren Weg gibt?
Die beste Taktik in „Charon“, dank gigantischem Design-Fail, ist einfach alle Taktik zu ignorieren.

Zum generellen Design einige Worte

Sofort ins Auge fällt die Weltkarte, die man relativ frei erkunden darf, ohne sich vor irgendwelchen Monsterbegegnungen fürchten zu müssen.Man hat schon in den ersten Stunden mehrere Dörfer und Wälder die man sich als Ziel aussuchen darf. Das Abweichen von der Linearität überrascht. Leider kann man in diesen Dörfern nicht wirklich viel unternehmen. Die Nebenquests sind rar und zum Großteil erst darauf ausgelegt, dass sie später erledigt werden, weil die Zielorte noch unerreichbar sind oder es viel zu lange dauern würde sie zu Fuß zu erreichen (Magisches Flugschiff lässt grüßen)
Die Dialoge der NPCs verdienen den Namen Konversation nicht und so gut ist die Grafik lange nicht, dass es das stundenlange Umherirren rechtfertigt. Das Herum-Irren selbst ist Plicht, denn man kriegt kaum Anweisungen (zu Beginn des Spiels) wo wir wichtige Personen finden und aufspüren können. Das bauscht die Spiellänge ordentlich auf, aber mit dem Spielspaß ist es genau umgekehrt. Die einzige Erklärung ist wohl, dass wir absichtlich so viel Wäldern, Höhlen und Verließen durchkämmen sollen, bis wir zufällig weiter kommen.

Das Level-Design innerhalb der Dungeons ist stark systematisch und Abweichungen spärlich. Das Schema ist bei jedem etwa so: Finde Schlüssel A und B, um Schalter C und D zu öffnen, die Tür E entriegeln, um dann Rätsel F lösen, um Tor G durchschreiten zu können, wo Boss H auf uns wartet und so weiter und so sofort. Die Rätsel selbst sind eigentlich nur Minispiele, die oft recycelt werden: Schalterrätsel, Schieberätsel und häufig auch Druckplatten, das macht 90 % aller aus. Die Endgegner kann man, wie beim Unterpunkt Kampfsystem genauer erläutert, mit derselben Taktik besiegen wie stinknormale Monster auch, mehr als in-die-Länge-gezogene Standardkämpfe sind’s also eh nicht. Schade, dass sich der Entwickler hier nicht an Klassikern wie „Tales of Phantasia“ orientiert hat, wo selbst mehrstöckige Katakomben nie nerv tötend vorhersehbar wurden. Falls er es versuchte, fehlte offenbar die Mühe. Aber für einen Dungeon-Crawler, der nicht mehr als das sein will, ist es wohl genug. Mir reicht das nicht, aber das soll sich der Leser selbst beantworten.

Über das Gameplay im Allgemeinen

Mir ist bewusst, dass ich in diesem Bereich teilweise sehr ins Detail gehe, dennoch aber versuche deutlich zu argumentieren. Natürlich ist mir klar, dass es vermutlich Spieler geben wird, die Charon lieben und für die es eines der tollsten RPG-Maker XP Spiele ist, die sie je erleben durften. Man sollte sich aber dennoch vor Augen führen, dass Charon eigentlich mehr bietet als nur ein Kampfsystem und gerippte Monstergrafiken. Es hat auch eine Geschichte und Charaktere, die entweder absehbar oder nicht besonders tief ausgearbeitet sind, und das werden wohl auch Fans nicht leugnen. Selbst das Kampfsystem, und ich habe in den dutzenden Paragraphen über mir erläutert warum, ist alles andere als gut gestaltet. Entweder man fällt genau in das schmale Netz von Geschmäckern die „Charon“ anspricht oder man fällt einfach durch und landet auf seinem Allerwertesten. Vor allem denke ich auch, dass nur durch relativ kleine Änderung im Balancing und der Spielmechanik das Spiel enorm verbessert werden würde.
In diesem Sinne sollte die Kritik hier als Appell an andere gerichtet sein kritischer zu sein und sich etwas mehr Gedanken zu machen, Playtesting hilft sicher auch.

Sound oder altbekannt und oft gehört

Bevor ich diesen Unterpunkt des Reviews beginne, einige Zugeständnisse: Ich würde mich nicht unbedingt als Connaisseur der Rollenspiel-Musik bezeichnen. Solange die Klänge nur halbwegs zur erwünschten Stimmung beitragen und ich sie nicht aus jedem zweiten Makerspiel wieder erkenne, bin eigentlich relativ froh.

Die Musik in Charon ist, wie üblich, ein kunterbunter Musik-Mix aus allen möglichen alten Japano-Rollenspielen: Final Fantasy, Lufia, Legend of Mana, Golden Sun, Tales of Phantasia, usw. Entweder das Ziel war möglichst viel Nostalgie zu wecken, oder es ist einfach nur die Standard Vorgehensweise in unserer Community. Schwer zu sagen, aber eigentlich auch nicht so derart wichtig. Im Zeitalter der Creative Commons wäre es zwar ein Leichtes viele neuartige Musik für lau einzubauen, but hey, I‘m not complaining.

Bemerkenswert ist, aus rein technischer Sicht, wie schlecht die Musik-Engine des RPG-Maker XPs .midi Dateien abspielt: Praktisch jedes Stück klingt so, als wären wir in einer gigantischen Höhle, so krass ist der Echo-Effekt.
Was ebenfalls auffällt, ist die Tatsache, dass jedes Mal, wenn wir eine Truhe öffnen, die Hintergrundmusik für zwei, drei Sekunden stehenbleibt, um dann gleich weiterzuspielen, ohne dass es dafür eine eigene Fanfare wie in Zelda gebe.

Grafik oder eigentlich ganz okay

Am äußerlichen Erscheinen gibt es wirklich nichts zu bemängeln. Das ist definitiv eine Stärke von „Charon“. Es ist nicht so als ob jede Map einen dazu bringt den Mund nach unten zu klappen, aber es ist konsistent und durchgehend gut. Viel gibt es zu diesem Bereich auch nicht zu sagen.
Es werden im Kampfsystem für die Helden eigene Animationen benutzt, die das ganze viel lebhafter und interessanter erscheinen lassen. Auch vorm Hochskalieren von Grafiken für die Auflösung von 640x480 schreckte sorata08 nicht zurück.

Erstaunlich wie viel Arbeit hier für jedes Städchen und jeden Verließ ins Spiel floß, sicherlich zig Stunden die der Entwickler in Einzelarbeit aufbringen musste, aber für die Story reicht dann etwas aus, dass nicht einmal eine Nussschale füllen würde, so simpel ist es.
Vielleicht sind meine Prioritäten ja abstrus und die eigentliche Spielerschaft Charons, die sich mit Fakeln und Mistgabeln darauf vorbereitet meine Wohnung zu stürmen, hat damit ja gar keine Probleme. Ich sehe es als unsinnig an.

Zusammenfassendes Epilog

Mivey: Und das war unsere Reportage zur ereignisreichen Entstehung des RPG Tsukuru oder wie wir ihn nennen, RPG Maker. Wir bedanken uns bei Herrn Hamamura für seine bereitwilligen Einblicke in die Hintergründe bei Enterbrain.

Irgendein asiatisch aussehender Mann: Ähh, heißt das sie binden mich jetzt von diesem Stuhl los? Ich würde gerne wieder nach Hause gehen, und ich kann meine Hände nicht mehr spüren.

Mivey: Hahaha, natürlich, Herr Hamamura, wir wissen alle, dass sie ein vielbeschäftigter Mann sind. Fassen wir also die Erkenntnisse des Abends zusammen:
Auch wenn die Geschichte manchmal total im Hintergrund stand, und viele der Akteure scheinbar nicht gut charakterisiert wurden, die eigentlichem Mechanismen dahinter waren doch sehr spaßig zu beobachten und mitzuverfolgen. Ich hoffe unsere Leser werden auch von den Fehlern, namentlich der beinahe Dungeon-kriechendend langsamen Entwicklung von Makerversion zu Makerversion, und den unüberlegten Design-Entscheidungen, wie dem VX der ohne guten Grund alte Begrenzungen wieder einführte, lernen.

Doch hoffen wir, dass Enterbrain noch viele Überraschungen für uns bereit hält und der RPG Maker VX nicht die letzte Haltestelle auf dem Fluss Styx ist, zu dem wir vom Totenfährmann Charon geleitet werden.
Gute Nacht und bis zum Nächsten Mal . (verlässt den Raum)

Mann: Warte! Bleiben sie hier! Sie können mich hier nicht zurücklassen. Wer ist dieser Hamairgendwas überhaupt? Kommen sie zurück!

Mivey • 25.04.2012